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Chiemgauer Verein feiert 20-jähriges Bestehen der Regionalwährung mit großem Fest im Campus Chiemgau

Der „Chiemgauer“ entwickelt neue Dynamik- Traunsteiner Verein feiert 20-jähriges Bestehen der Regionalwährung mit großem Fest im Campus Chiemgau

Sie beleuchteten beim Festabend zum 20. Jubiläum in Traunstein die Meilensteine in der Entwicklung der Regionalwährung „Chiemgauer“ (von links): Prof. Dr. Roland Roth, Traunsteins 2. Bürgermeisterin Burgi Mörtl-Körner, Gründer Christian Gelleri, Vorstandsmitglieder Christophe Levannier und Stefan Schütz. Bild: Axel Effner

Die Regionalwährung

Viele Regionalwährungen sind in den letzten 20 Jahren aufgebaut worden und wieder verschwunden. Der „Chiemgauer“ hat sich dagegen in dieser Zeit beständig weiterentwickelt und ist international zu einer Referenzgröße geworden. Infos über die umsatzstärkste Komplementärwährung im deutschsprachigen Raum finden sich sogar mit Britischen Museum in London.

„Mit dem 20. Jubiläum setzen wir ein starkes Zeichen für Resilienz“, lobte Stefan Schütz, 1. Vorsitzender des Vereins Chiemgauer e.V., bei der Festveranstaltung mit rund 150 Gästen im Forum des Campus Chiemgau in Traunstein das unermüdliche Engagement seiner Kolleginnen und Kollegen im Vorstand. Zahlreiche Film- und Presseberichte, Kongresse sowie wissenschaftliche Publikationen hätten der Regionalwährung über die Jahre einen europa- und sogar weltweiten Bekanntheitsgrad beschert. „Aktuell läuft eine Interviewanfrage aus Südkorea“, ergänzte Schütz. Wieviel Wohlklang im Chiemgauer steckt, zeigte das Duo „Jamenco“ aus Rosenheim.

Traunsteins 2. Bürgermeisterin Burgi Mörtl-Körner sah in der in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land verbreiteten Regionalwährung ein „Zeichen echten Gemeinschaftsgefühls in einer krisengeschüttelten Welt“. Ein Jahresumsatz von sechs Millionen Chiemgauer, mehr als 400 Mitgliedsbetriebe und eine gemeinwohlorientierte Fördersumme von über 830.000 Euro für regionale, ökologische und soziale Projekte in den zurückliegenden 20 Jahren zeige die Überzeugungskraft dieser „so zwingenden wie genialen Idee“. Mörtl Körner stellte das „außergewöhnliche Engagement“ von Chiemgauer-Gründer Christian Gelleri und seines Teams heraus. In vielfacher Hinsicht sei die Stadt Traunstein eng mit der Regionalwährung verbunden, nicht zuletzt durch den Klimabonus,

Veronika Spielbichler, Obfrau des Unterguggenberger Instituts e.V. aus dem österreichischen Wörgl, ging auf die Zusammenhänge des Wörgler Freigelds, das zur Zeit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren die Not linderte, und die positiven Effekte des Chiemgauers ein. Beide Vereine verbinde eine langjährige Freundschaft.

Start mit sechs Schülerinnen

Gründer Christian Gelleri, der als Lehrbeauftragter an der TH Würzburg-Schweinfurt und als Klimabonus-Projektleiter bei Chiemgauer e.V. arbeitet, blickte auf die bewegten Jahre seit der Initialzündung des Chiemgauer-Projekts mit sechs Schülerinnen zurück. Die Erstausgabe der Regionalwährung erfolgte am 30. Januar 2003. Starthilfe geleistet hatten die Ökologin Prof. Margrit Kennedy und der Beuys-Meisterschüler Johannes Stüttgen. Meilensteine seien in der Folge die Einführung des elektronischen Chiemgauers und die Gründung der Sozialgenossenschaft Regios 2006/2007 gewesen, die Ausgabe von Mikrokrediten 2010, das Jubiläumsjahr mit Regiogeld-Kongress 2013, die Integration der BGL-Regionalwährung „Sterntaler“ 2018 sowie die Installation des Klimabonus-Projekt zur Förderung von Klimaschutzprojekten 2019.

Gelleri ergänzte, dass hier speziell die Zusammenarbeit mit der Stadt Traunstein seit 2021 starken Rückenwind gegeben habe. Die Stadt belohnt die Förderung privater Klimaschutz-Initiativen in Form eines in Chiemgauern ausbezahlten Klimabonus. Allein im letzten Jahr wurden in der Stadt 417.328 Chiemgauer ausgegeben, so Gelleri, die durch Zirkulationseffekte in der regionalen Wirtschaft die mehr als dreifache Summe an Umsatz generiert hätten. In die Förderung von Gemeinwohl-Projekten seien 12.500 Chiemgauer geflossen. Dies belege die Stabilisierung regionaler Wirtschaftskreisläufe.

Mikropolitische Realutopie“

Der Politikwissenschaftler Professor Dr. Roland Roth von der Hochschule Magdeburg-Stendhal machte deutlich, wie Regionalwährungen und kommunales Bürgerschaftsengagement dabei unterstützend wirken können, mehr gesellschaftliche Teilhabe an politischen Willensbildungsprozessen in der Demokratie umsetzen zu können. Gerade in Krisenzeiten wie aktuell gerate die Demokratie durch rechtspopulistische und antidemokratische Strömungen, die Schwächung demokratischer Institutionen und die Stärkung autokratischer Systeme weltweit ins Hintertreffen.

Das Beispiel des Chiemgauers und seiner Projekte in der Verbreitungsregion zeigen dagegen als „mikropolitische Realutopie“, welche Resilienzkräfte die Verbindung von „kommunaler Intelligenz“ und Offenheit für Alternativlösungen im großen Spannungfeld von Demokratie und Geldwirtschaft entfalten kann.

 

Text und Fotos: Axel Effner