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Chiemgauer im japanischen Fernsehen

Obing. In Japan zahlt man mit dem Yen. Mit der Regionalwährung „Chiemgauer“ kommt man dort nicht weit. Doch wie der „Chiemgauer“ als Zahlungsmittel funktioniert und was seine Vorteile sind, darüber werden bald auch viele Japaner informiert sein. Denn die Eurokrise und das bröckelnde Vertrauen in eine Gemeinschaftswährung sind auch in Asien Thema. Haime Misawa vom japanischen Privatsender TBS News hat sich näher über den „Chiemgauer“ informiert – unter anderem im Dorfladen in Frabertsham bei Obing.

Japaner filmen Chiemgauer

Ein Beitrag im Bayrischen Fernsehen hatte das japanische Privatfernsehen auf die Idee gebracht, einen Bericht über das regionale Geld zu machen. Gemeinsam mit seinem Kameramann machte sich Haime Misawa vom Berliner Hauptstadtbüro von TBS News auf den Weg nach Obing, um den „Chiemgauer“ live zu erleben – und das in doppelten Sinn, denn den Fernsehmachern gefielen sowohl die Menschen im Chiemgau wie auch ihre Regionalwährung.

 

„Wie praxistauglich ist der ,Chiemgauer‘“? Diese Frage stellte sich das japanische Fernsehteam. Begleitet von Charlotte Hellmeier von der neu gegründeten Regionalgruppe Rosenheim-Mangfalltal-Wasserburg besuchten Haime Misawa und sein Kameramann Unternehmen in der Region, die das regionale Zahlungsmittel akzeptieren. Dabei staunten die beiden über die vielen Möglichkeiten. Ob nun Gastronomie, Lebensmittel, Autowerkstatt, Apotheke oder Beerenhof – der „Chiemgauer“ wird in vielen Branchen gerne genommen.

 

Seitdem Lehrer Christian Gelleri und einige Schülerinnen der Freien Waldorfschule Chiemgau die neue Währung erfunden haben, hat sie sich kontinuierlich verbreitet und etabliert. 2011 ging als Rekordjahr in die Geschichte des „Chiemgauer“-Regiogeld-Vereins ein, Tendenz steigend. Dies bestätigten Verbraucher und Geschäftsinhaber, die die Fernsehleute bei ihrem Streifzug durch die Region befragten. Viele betonten, dass der „Chiemgauer“ als Zahlungsmittel völlig problemlos funktioniere.

 

Franz Eitzinger aus Frabertsham hatte über Praktikanten von der Waldorfschule die Ursprünge des Schulprojektes miterlebt, und war als einer der ersten Unternehmer vom regionalen Zahlungsmittel überzeugt. Für ihn ist der „Chiemgauer“ eine Art Gütesiegel, denn die Nutzer seien in der Regel auf Nachhaltigkeit und Qualitätsbewusstsein bedacht. Einer seiner Kunden meinte vor laufender Kamera, dass der „Chiemgauer“ dazu beiträgt, bewusster einzukaufen und sich gegenseitig zu unterstützen. Das Geld fließe in die Region – wovon Geschäfte, Verbraucher und Vereine gleichermaßen profitierten. Der Kunde einer Autowerkstatt freute sich, dass er seine eingenommenen „Chiemgauer“ hier gleich wieder umsetzen kann. Eine ältere Dame war beim Lebensmittel-Einkauf der Ansicht, dass sie mit dem „Chiemgauer“ unabhängig sei und damit auch noch bezahlen könne, wenn der Euro nichts mehr wert sei.

 

„Das wäre auch gut für Japan“ zeigte sich Haime Misawa nach seinem Besuch im „Chiemgauerland“ begeistert. Er sieht in der Regionalwährung eine gute Möglichkeit, die regionale Wirtschaft anzukurbeln und ist besonders davon angetan, dass der „Chiemgauer“ zirkuliert. Das würde sowohl die lokale Produktivität als auch das Konsumverhalten steigern, ohne dass die Gefahr einer Überschuldung besteht. Leider sei dies derzeit noch nicht auf Japan übertragbar, das brauche noch etwas Zeit. Die Wirtschaft sei sehr auf Tokio und Osaka zentralisiert, und die verschiedenen Regionen müssten erst autonomer werden. In den Fußgängerzonen der Großstädte gebe es zwar Regionalgeld, aber nur in begrenztem Maß.

 

Besonders angetan waren die Japaner von den bunten „Chiemgauer“-Scheinen. Ausführlich filmten sie das Regionalgeld, Akzeptanzstellen und Ausgabestellen für den geplanten Beitrag, der im September im japanischen Fernsehen zu sehen sein soll. Im Anschluss an den Besuch in Obing und Umgebung stand ein Interview mit Christian Gelleri auf dem Plan. Dort wurden auch die Ansätze zu einem Staatlichen Nebengeld, das eng an den Euro angelehnt sein soll, erläutert – dem „NEURO“. Laut Gelleri könnte dieser als Mittel zur Stärkung der Binnenwirtschaft schrittweise im Euro-Raum eingeführt werden. Beginnen könnte man seiner Meinung nach in einer großen Region in Griechenland wie Athen und Umgebung.

 

Autorin: Christa Auer

Veröffentlicht im Trostberger Tagblatt am 25. August 2012