Messe zeigte Gesamtheit der Idee Regiogeld
Rosenheim. Regiogeld in der Gesamtheit der Idee Regionalgeld erlebbar zu machen, war das Ziel der Messetage am 17. und 18. März an der Waldorfschule in Rosenheim.
Der Initiator und Organisator der Veranstaltung, Regionalbüroleiter Klaus Kopp, eröffnete die Veranstaltung mit einem Rückblick auf die Entstehung des Chiemgauer und wie sich das Projekt von Jahr zu Jahr weiterentwickelt hat. Ausgehend von einem Schülerunternehmen verbindet das Chiemgauer-Projekt heute 600 Unternehmen, Banken und Sparkassen, teilnehmende Gemeinden, über 200 geförderte Vereine und mehrere Tausend Verbraucherinnen und Verbraucher in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein. Ein ausdrücklicher Dank wurde an Susanne Zeisig ausgesprochen, die als Geschäftsführerin der Waldorfschule Rosenheim die Vorbereitungen an der Schule koordiniert hat.
Anschließend schilderte der stellvertretende Landrat des Landkreises Rosenheim, Josef Huber, seine Eindrücke zum Chiemgauer. Bereits früh habe er von dem Projekt gehört und sei zu Beginn des Projekts 2003 skeptisch gewesen. Wozu eine zweite Währung, da doch gerade der Euro eingeführt worden war? Durch die Hartnäckigkeit der Aktiven sei es gelungen, den Chiemgauer erfolgreich auszuweiten. Dies zahle sich heute aus: 6 Millionen Chiemgauer Umsatz im Jahr 2011 und über 3.000 Nutzer sprechen für sich. Der Chiemgauer habe sich durchgesetzt und darauf können die Beteiligten stolz sein.
Die Begrüßung der zahlreichen Gäste wurde abgerundet durch ein Konzert des Schulorchesters der Waldorfschule unter Leitung von Annette Kopf. Als die letzten Takte der Europahymne verklungen waren, gab es langen und euphorischen Applaus für die jungen Künstlerinnen und Künstler.
Klaus Kopp lud alle Teilnehmer ein, in das vielfältige Angebot der Aussteller einzutauchen. Vor allem die handwerklichen und kunsthandwerklichen Angebote begeisterten viele Besucher. Wer meinte, dass Alltagsgegenstände nur noch von anderswo herkommen müssen, wurde eines Besseren belehrt. Hochwertiges Töpfergeschirr und handgewebte Teppiche aus Stephanskirchen, Glaskunst aus Prien, Möbel und Holzobjekte aus Rohrdorf, Rosenheim und Schonstett, Schuhe aus Bad Aibling, Kinderzimmer aus Rosenheim und Kleidung aus Albaching zeugten unter anderem davon, dass Produkte in nachhaltiger und höchster Qualität mit langer Haltbarkeit zu einem fairen Preis aus der Region kommen können. Noch eins draufgesetzt haben Andreas Czerny und Herbert Trenker mit einer ausgefeilten Uhr aus Holz, die die Teilnehmer pünktlich an den Beginn der inhaltlichen Veranstaltungen erinnerte.
Neben grundlegenden Einführungen zum Chiemgauer durch Klaus Kopp kamen sehr viele Besucher zum Vortrag und Seminar von Harrie Salman. Hier wurden nicht fertige Inhalte und Lösungen präsentiert, sondern gemeinsam mit den Anwesenden Fragen rund das Thema »Global und regional« entwickelt und bearbeitet. Im Vordergrund stand eine Methode des Zuhörens und der Selbstbeobachtung. Wie stehe ich als Mensch in der Globalisierung? Wie kann ich im Kleinen und im Großen mitgestalten? An vielen Stellen wurde herausgehoben, wie der Einzelne in seinen Entscheidungen als Konsument und als Bürger in das Umfeld und in den globalen Zusammenhang einwirkt. Was passiert, wenn man Produkte mit dem billigsten Preis kauft? Nimmt man billigend in Kauf, dass bei einem Kauf eines T-Shirts bei einem Discounter in Rosenheim für 3,99 Euro ein Kind in Vietnam mehrere Stunden dafür arbeitet? Wenn aber ein faires Produkt das Vielfache kostet, kann sich das dann jeder leisten? Ja und wenn nur ich das mache und alle anderen trotzdem das Billige nehmen? Muss da nicht die Politik ran? Ist die Politik nicht durch die Wirtschaft korrumpiert? Wo sind die guten Beispiele und wie man diesen Bedeutung verschaffen?
Harrie Salman ermutigte, nicht zu resignieren, sondern hartnäckig weiterzufragen und sauber zu differenzieren. Wirtschaft müsse auf seine Funktion zurückgeführt werden, nämlich die echte Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Spekulation, Konkurrenz und die Konzentration von Reichtum in den Händen weniger sei nicht Aufgabe der Wirtschaft. Dies könne aber nicht das Wirtschaftsleben alleine lösen, sondern hier ist das Rechtsleben gefragt und das Geld gehöre ins Rechtsleben. Im Kleinen gelinge bereits einiges, das zeige der Chiemgauer durch die gemeinsame Gestaltung von Geldregeln. Je stärker diese Beispiele würden, desto größer ihr Einfluss. Hier gilt es Bewusstsein zu schaffen und das sei Aufgabe des Geisteslebens. Jeder Einzelne könne mit Veränderungen beginnen beim Einkaufen, beim Sparen und Investieren und beim Schenken. Verstärkt werden die Handlungen durch die Bildung von lokalen und überregionalen Netzwerken, sogenannten Assoziationen.
Wie Assoziationen statt Konkurrenz funktionieren können, zeigten einige Aussteller ganz praktisch. So stimmten sich die Unternehmen Frau Wolle´s Naturhaus aus Traunstein und Saringer Wohnen aus Rosenheim im Vorfeld der Messe ab, welche Produkte sie präsentieren, da beide Unternehmen ein ähnliches Sortiment haben. Heraus kam ein für Außenstehende einheitlicher Messestand mit den verschiedenen Schwerpunkten der beiden Unternehmen. Auch wenn man weiter über die Messe schlenderte, hatte man den Eindruck, dass es ein Kaufhaus mit verschiedenen Abteilungen sei.
Ebenso starken Andrang wie bei Harrie Salman gab es beim Vortrag von Thomas Zwerenz von der Kreissparkasse Rosenheim-Bad Aibling. Die Geschäftsentwicklung der Bank sei durch die konsequente Ausrichtung auf den regionalen Auftrag der Bank äußerst positiv. Die Menschen wissen spätestens seit der Finanzkrise ein bodenständiges Bankgeschäft zu schätzen. Die Zusammenarbeit mit dem Chiemgauer Regiogeld sei naheliegend gewesen, da an den gleichen Zielen gearbeitet wird, nämlich im Dienste der Region tätig zu sein und regionale Wertschöpfung voran zu bringen. Die Sparkasse engagiere sich mit dem Service kostenfreier Zusatzkonten und mit Ausgabestellen für das Regiogeld. Die Zusammenarbeit werde schrittweise ausgebaut. Nach dem Vortrag gab es noch viele Gespräche am Sparkassen-Messestand mit den »Chiemgauer-Spezialisten« der Bank Martin Jerrendorf und Thomas Zwerenz.
Die Grundzüge der Gemeinwohlökonomie wurden von Harro Colshorn vorgestellt, der eine Bioland-Gärtnerei in Bruckmühl betreibt und einer der ersten Pioniere bei der Erstellung einer »Gemeinwohlbilanz« ist. Bereits über 500 Unternehmer aus Deutschland, Österreich und anderen Ländern beteiligen sich an dieser neuen Form der Erfolgsmessung, bei der der Erfolg nicht der finanzielle Profit ist, sondern die positiven Wirkungen auf Mitarbeiter, Kunden, Umwelt und Gesellschaft. In einem Punktesystem können Unternehmen feststellen, wie gut sie sind und wo Verbesserungsbedarf besteht. Nicht die Unternehmen mit dem meisten Geld sollten die günstigsten Kreditkonditionen erhalten, sondern diejenigen, die sich am meisten für das Gemeinwohl einsetzen. Dabei wurde die Frage angeregt, wie sich das praktisch in Zusammenarbeit mit dem Chiemgauer umsetzen ließe. Erste Ansätze wurden dazu bereits genannt, nämlich eine Zinsvergünstigung bei Auszahlung eines Kredits in Chiemgauer, weil dadurch regionale Kreisläufe und kleine Unternehmer bevorzugt werden. Anhand der erreichten Punkte in der Gemeinwohlbilanz könnten die Kreditkonditionen möglicherweise weiter differenziert werden.
Der einzige Wermutstropfen war das überragend schöne Wetter. Es war das erste warme und sonnige Wochenende des Jahres, das viele Menschen in die Natur hinaus getrieben hat anstatt in die Messeräume der Schule. Diejenigen, die der Messe Vorzug gabe, kamen in den Genuss des vielfältigen Angebots und der gehaltvollen Vertiefung. Josef Knoflach, Bankier aus Innsbruck und Vorstand von Hermes Österreich, lobte die Veranstaltung und für ihn sei nun klar geworden wie der Chiemgauer funktioniere. Auch eine Reihe von Bürgern aus der Region nutzten die Gelegenheit, sich neu zum Chiemgauer anzumelden und wer den Chiemgauer ohne großen Hintergedanken genutzt hatte, weiß nun besser, welcher Sinn und Aufwand hinter der Idee steckt.