Chiemgauer als Antwort auf Beliebigkeit
Einen Mitschnitt der Sendung können Sie als Podcast mit Internet anhören. Weitere Bilder finden Sie in der Chiemgauer Rundschau.
Stephanskirchen. »Der Chiemgauer ist identitätsstiftend für die Region«, sagte gestern Bürgermeister Rainer Auer in das Mikrofon des Deutschlandfunks. Der Chiemgauer könne helfen, die um sich greifende Beliebigkeit in den Griff zu bekommen.
Der Übertragungswagen stand auf dem Bauern- und Wochenmarkt zwischen Rathaus und Kirche, wo an allen Ständen die Regionalwährung der Chiemgauer als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Das Moderatorenteam erklärte facettenreich einem deutschlandweiten Publikum, was der Chiemgauer ist, wie er in der Praxis funktioniert und was Kritiker einwenden.
Christian Gelleri hat vor sechs Jahren den Chiemgauer ins Leben gerufen. Gefragt nach seiner ursprünglichen Motivation sagte Gelleri: »Es kann nicht sein, dass am Ende einer alles hat, wie es beim Monopolyspiel der Fall ist«. Viel mehr gehe es um einen »fairen Austausch, wo jeder gewinnt«.
Wie dieser Austausch aussieht, zeigten die Radioreporter, in dem sie selbst mit Chiemgauer auf dem Markt einkauften und mit Menschen sprachen, die aus ganz unterschiedlicher Sicht den Chiemgauer betrachten.
Der Chiemgauer bei Vereinen und Verbrauchern
Die soziale Dimension des Chiemgauer wurde in zwei Interviews deutlich mit Jürgen Wemhöner, Geschäftsführer des Stephanskirchener Sozialwerks, und Georgine Holthoff vom Verein »Arche«, der eine Nachmittagsbetreuung für Kinder ermöglicht.
Die praktische Seite und was über Fördervereine für die Sache des Regionalgelds bewirkt wird, machten zwei Verbraucherinnen anschaulich. In den Gesprächen ging es darum, wie gemeinnützige Einrichtungen mit der Drei-Prozent-Förderung durch den Chiemgauer in Ihrer Arbeit weiterkommen.
Was sagen Unternehmer und Bauern dazu?
Webermeister Alfred Licht zeigt auf, weshalb Unternehmer einen regionalen Vorteil vom Einsatz des Chiemgauer haben können. Er sieht im Chiemgauer auch ein sinnvolles, in sich stimmiges regionales Marketing.
Landwirt und Bauernmarktorganisator Georg Maier sagte: »Was hier an den Marktständen verkauft wird, kommt aus der Gemeinde«. Der Chiemgauer schlage mit dem Ziel, die Region zu fördern, in die gleiche Kerbe. »Von daher ist es gut so, dass hier mit Chiemgauer gezahlt werden kann«, so Maier.
Sozialromantik oder Sinn fürs Praktische?
Spannend wurde die Livesendung, als es um unterschiedliche Ansichten über das Regionalgeld ging: Wie verhält es sich mit »Geldhaltungsgebühr, Sozialromantik, Netzwerken mit Spaßfaktor« (Gegner) bzw. »Umlaufimplus/Regionalbeitrag beim Rücktausch, Praxissinn und konkrete Zusammenarbeit in der Region« (Befürworter)?
Annette Bickelman vom Sterntaler (Regionalgeld im Berchtesgadener Land) empfiehlt Ökonomietheoretikern schlicht den Weg in die Praxis und das Herunterbrechen von in großen Volkswirtschaften gedachten Systemen auf regionale Wirtschaftsräume.
Chiemgauer-Vorsitzender Gelleri zur Geld- und Zinsthematik: »Chiemgauer kann man nicht horten. Mit Chiemgauer kann man nicht spekulieren«. Nur zehn Prozent des Euro kämen dem realen Wirtschaften zugute, beim Chiemgauer seien es hundert Prozent.
Durch die jedes Quartal fällige Aufwertung des Chiemgauer um zwei Prozent sowie die von den Unternehmer bei Rücktausch von Chiemgauer in Euro geforderte Gebühr von fünf Prozent entstehen zwei Effekte. Erstens wird der Chiemgauer drei Mal schneller weitergegeben als der Euro und somit können Unternehmen besser wirtschaften. Zweitens versuchen Unternehmer den Rücktausch zu vermeiden.
Somit bleibt die Wertschöpfung in der eigenen Region. Denn Unternehmer erhalten den Anreiz wiederum Waren und Dienstleistungen in der Region mit Chiemgauer einzukaufen.
Bildunterschrift: Christian Gelleri mit Gespräch mit Radioreporterin Eva-Maria Götz vom Deutschlandfunk
(Foto: Matthias Leippe)